Kann man Anziehung wieder herstellen? Kann man sich wieder neu ineinander verlieben?

Häufige Fragen aus der Sexualtherapie

Der Paartherapeut und Sexualtherapeut Ralf Sturm widmet sich in diesem Beitrag zwei wichtigen Fragen, die in der Sexualtherapie häufig gestellt werden. In den Fragen, ob Anziehung wieder hergestellt werden und man sich wieder neu ineinander verlieben kann, spiegelt sich das Bedürfnis, auch in langjährigen Beziehungen eine Sexualität und ein Begehren zu erleben, die es wert sind, gewollt und gelebt zu werden.

„Ich habe mich in eine andere Frau verliebt…“,
„Ich hatte Sex mit Männern, die ich anziehender fand als ihn…“

So beginnen die Gespräche in unserer Praxis natürlich nicht direkt, aber wenn bei der Terminvereinbarung angesprochen wurde, dass es (auch) um Sexualtherapie gehen soll, dann kommen ähnliche Themen häufig vor. Oft werden sie begleitet von der Frage:

„Kann man sich wieder neu verlieben?“ oder
„Wie kann man sexuelle Anziehung wieder herstellen?“

Kann man denn in der Liebe oder im Bett überhaupt ein Feuer (neu) entfachen, das verloren scheint, oder vielleicht nie ganz da war? Denn auch das kommt ja nicht selten vor: Man verliebt sich in einen Menschen aus vielerlei Gründen. Doch im Bett scheint es nicht zu „klappen“. Ohne das worauf manche zu Beginn der Beziehung scheinbar aus guten Gründen verzichten können, möchte man mit längerer Dauer des Zusammenlebens vielleicht doch nicht leben?

Die gute Nachricht:

Dass Anziehungskraft – auch sexuelle Anziehung – nur in der Verliebtheitsphase oder mit neuen Partnern spürbar ist, ist ein Mythos. David Schnarch hat in seinem Buch „Zur Psychologie sexueller Leidenschaft“, das im amerikanischen Originaltitel übrigens schlicht und einfach „Passionate Mariage“ heisst, darauf hingewiesen: „Cellulite and sexual potential are highly correlated“. Das heisst nicht im Gegenzug zum Mythos dass es Abwechslung braucht um Erregung zu spüren, dass man erst nach Jahrzehnten des Zusammenseins sexuelle Erfüllung finden kann. Aber er hat damit eine Richtung angegeben, in die vorher nicht viel gedacht wurde: Ja, man kann gegenseitige Anziehung nicht nur wieder aufleben lassen, sondern sogar richtiggehend „herstellen“.

Die schlechte Nachricht:

Das verlangt eventuell ein bisschen Mut. Intimität braucht zumindest den Willen auch mal für eine Zeit lang unbequeme Dinge anzusprechen. Oder anzuschauen. Und wenn das heisst, sich einfach in die Augen zu schauen; beim Sex, oder erstmal auch einfach wieder am Frühstückstisch. Das Gehirn lernt gerne. Und den anderen mal wieder (nicht nur) mit den eigenen Augen, sondern auch mit neuen Augen zu sehen, das kann man lernen. Das macht Liebe dann oft wieder „wie neu“.

Wie geht man mit unterschiedlichen „Bedürfnissen“ um?

„Ich brauche Sex gar nicht so sehr …“,
„Ich könnte gut ohne Sex leben …“,
„Sie hat viel mehr Lust als ich …“
„Er will nicht so oft wie ich mir das Wünschen würde …“ 

Wir haben das Wort „Bedürfnisse“ hier aus gutem Grund in Anführungszeichen gestellt. Nicht weil wir denken, dass es diese nicht gäbe. Vielmehr um die Frage anzuregen: Was sind eigentlich genau meine Bedürfnisse? Und: Sind die Bedürfnisse der Menschen wirklich so unterschiedlich wie es ihre Wünsche sind? An anderer Stelle in diesem Blog sprechen wir ja auch über kulturelle Unterschiede. „Wir sind vielleicht zu verschieden“, das hören wir auch oft. Manchmal ist das Bedürfnis nach Freiheit so groß, dass man das „vielleicht“ sogar weglässt: Wir sind zu verschieden. Zu verschieden um miteinander Sex ohne Druck zu haben? Zu verschieden um miteinander weiter zu leben? Man kann sich schon eine Menge Fragen stellen, und das nicht erst im Bett.

Die gute Nachricht:

Auch wenn es häufig so aussieht dass es in der Partnerschaft einen High-Desire-Partner gibt, und einen Low-Desire-Partner – eine(n) der/die scheinbar ständig „will“, und eine(n) der/die wenig bis gar keine Lust zu haben scheint: Meist ist das tatsächlich nicht die unveränderbare Grundkonstellation unter der das Paar eben zu leiden hat, sondern etwas in das sich die Partner gegenseitig hineinmanövrieren, bzw. sich nicht daraus heraus helfen.

Die schlechte Nachricht:

Es kann sein, dass man auf dem Weg zu einem Sexleben mit dem beide zufrieden sind seine Komfortzone zumindest infrage stellen muss. Das bedeutet nicht, über seine eigenen Grenzen zu gehen. Es bedeutet aber gegebenenfalls, die Sicherheit auf der Wippe aufzugeben, wo ein Partner – der mit der vermeintlich höheren Lust bestimmt was richtig wäre („mehr Sex“), und der Partner mit der scheinbar niedrigeren Lust bestimmt, was passiert oder nicht passiert („wenig Sex“/„gar kein Sex“) Wenn der eine bereit wird seine Definitionsmacht aufzugeben, kann der andere seine Verhaltensmacht loslassen. Und umgekehrt.

Wir sind Katharina Middendorf und Ralf Sturm, führen seit 2015 unsere Praxis für Paartherapie und Sexualtherapie in Berlin, haben eine Kolumne im Berliner Tagesspiegel, inzwischen zahlreiche Bücher veröffentlicht und unterstützen Einzelpersonen und Paare wie Sie. Sie möchten mehr über uns erfahren? Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

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